1922: Tutanchamuns Grab im Tal der Könige entdeckt

Am 2. November 1922 stießen Ausgräber im ägyptischen Tal der Könige auf die ersten Stufen eines neuen Grabes. Sie hatten einen der bedeutendsten archäologischen Funde aller Zeiten entdeckt: Das Grab des Pharaos Tutanchamun.

Totenmaske des Pharaos Tutanchamun (Detail)

Totenmaske des Pharaos Tutanchamun (Detail)

Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, waren im „Tal der Könige“ 61 Gräber gefunden worden, deren Gänge tief in den Fels gearbeitet waren. Kaum ein Stein war in dem versteckten Felstal am Westufer des Nils gegenüber von Luxor noch nicht umgedreht worden. Gaston Maspero, der Chef der ägyptischen Altertümer, war sicher, dass das Tal alle seine Geheimnisse preisgegeben hatte.

Dennoch vergab Maspero im ersten Kriegsjahr eine neue Lizenz für Grabungen an einen wohlhabenden Engländer. George Herbert, Earl of Carnarvon, war nach einem Autounfall genötigt, die Winter in Ägypten zu verbringen, weil das englische Klima seiner Gesundheit zu sehr zusetzte. Der steinreiche hochadelige Abenteurer war nicht nur ein Kunstliebhaber, sondern wusste auch den Nervenkitzel zu schätzen – beides konnte ihm die Schatzsucherei bieten.

Auf der Suche nach einem Fachmann, der seine Ausgrabungen durchführen konnte, stieß Lord Carnarvon 1908 auf den 35-jährigen Engländer Howard Carter. Dieser war seit 18 Jahren in Ägypten an unzähligen Ausgrabungen beteiligt gewesen. Auch im Tal der Könige hatte Carter schon gegraben und dabei vier neue Gräber freigelegt – darunter das Grab des Pharaos Thutmosis IV.

Die beiden Engländer begannen ihre Zusammenarbeit mit Grabungen in Theben und im Nildelta – doch ihr wahres Ziel war das Tal der Könige.

Das fehlende Grab

Carter vermutete im Tal noch mindestens ein Grab, das bislang unentdeckt geblieben war. Die Gräber von 27 der 33 Pharaonen des Neuen Reiches waren im Tal entdeckt worden. Was war mit den sechs Herrschern, die noch fehlten? Einige kleinere Funde älterer Ausgrabungen machten Carter zuversichtlich: „Auf die Gefahr hin, eines nachträglichen Besserwissens beschuldigt zu werden, will ich feststellen, dass wir entschieden Hoffnung hatten, das Grab eines bestimmten Königs zu finden, und dieser König war Tutanchamun!“

1914 war es soweit: Lord Carnarvon erhielt die Lizenz, und Carter durfte wieder im Tal graben. Doch der Krieg machte die Arbeit zunächst unmöglich: Lord Carnarvon wurde in England gebraucht, und Carter diente dem Stab in Kairo als Dolmetscher. Erst im Winter 1917 erfolgte der erste Spatenstich im Tal.

Fünf Winter wühlten Carters ägyptische Hilfskräfte an verschiedenen Stellen ohne den erhofften großen Fund. Enttäuscht wollte der Lord die Suche einstellen, doch Carter konnte ihn überzeugen, noch einen Winter, den Winter 1922/23, weiterzumachen. Und dieses Mal war das Glück ihnen hold: Nur drei Tage nach Beginn der Grabung, am 4. November 1922, stießen sie direkt unterhalb des Eingangs zur Grabstätte des Pharaos Ramses VI. auf eine Treppenstufe. Bis zum Abend des Tages waren zwölf Stufen freigelegt, und der versiegelte Eingang eines Grabes wurde sichtbar. Er trug die Siegel der Königstotenstadt. „Alles, buchstäblich alles konnte hinter jenem Gang liegen“, schreibt Carter später. „Es bedurfte meiner ganzen Selbstüberwindung, um nicht den Türeingang zu erbrechen und auf der Stelle weiterzusuchen!“

Der Fund des Jahrhunderts

Stattdessen wurde der Fund wieder zugeschüttet, und Carter telegrafierte dem Lord nach England: „Habe endlich wunderbare Entdeckung im Tal gemacht; ein großartiges Grab mit unbeschädigten Siegeln; bis zu Ihrer Ankunft alles wieder zugedeckt. Gratuliere!“

Lord Carnarvon kam, so schnell er konnte. Dennoch muss Carter zwei Wochen auf glühenden Kohlen gesessen haben, denn noch war völlig ungewiss, was für ein Grab er entdeckt hatte. Erst am 24. November war es soweit: Der Eingang wurde vollständig freigelegt. Und endlich sah Carter die Siegel des Pharaos Tutanchamun, auf die er gehofft hatte.

Doch auch Ernüchterung machte sich breit, denn schnell wurde klar, dass auch dieses Grab wie so viele andere im Tal nicht von Plünderern verschont geblieben war. Voller Sorge, am Ende enttäuscht zu werden, wurde der Zugang in mehrtägiger Arbeit freigelegt. Schließlich standen Carter und Carnarvon vor dem eigentlichen Eingang am Ende des 8 Meter in den Berg führenden Ganges. Carter, der durch ein kleines Loch einen ersten Blick ins Grabesinnere werfen konnte, urteilte kurz darauf: „Sicher hatte man nie vorher in der ganzen Geschichte von Ausgrabungen so Wunderbares geschaut, wie es uns jetzt das Licht unserer elektrischen Lampe enthüllte.“

Januar 1924: Howard Carter öffnet die Grabkammer Tutanchamuns

Die dahinter liegende Kammer war vollgestopft mit Kostbarkeiten, deren Goldbeschläge im Schein der Lampe funkelten. Ein goldener Thron, Statuen, drei zerlegte Streitwagen und reich verzierte Möbelstücke waren darunter. Die Grabräuber hatten Unordnung hinterlassen – aber offenbar hatten sie wenig hinausschaffen können. Allen war klar, dass vor ihnen einer der wichtigsten archäologischen Funde aller Zeiten lag.

Der goldene König

Howard Carter gehörte zu den ersten Archäologen, die ihr Geschäft mit wissenschaftlicher Akribie betrieben. Jeder Fund wurde ausführlich fotografiert, dokumentiert und vorsichtig verpackt aus der Kammer entfernt. Es dauerte bis Mitte Februar, die Vorkammer auszuräumen.

Erst jetzt konnte Carter die schon längst entdeckte Wand niederreißen, hinter der er die Grabkammer vermutete. Was er und die Anwesenden dann sahen, verschlug ihnen die Sprache: Sie standen vor einer mit Inschriften bedeckten Wand aus purem Gold.

Der goldene Schrein füllte fast den ganzen Raum aus und maß 5,2 mal 3,35 Meter an den Seiten und 2,75 Meter in der Höhe. In ihn eingepasst war ein zweiter, in diesen wiederum ein dritter Schrein, beide ebenfalls vollständig vergoldet. Am wichtigsten aber war: Am zweiten Schrein fanden sich unversehrte Siegel. Nun war es gewiss: Carter und seine Leute würden den ersten Pharao im Tal, der seit seiner Grablegung unangetastet geblieben war, entdecken.

„Mit unterdrückter Erregung ging ich an das Öffnen des dritten Schreins“, beschreibt Carter den großen Moment, der schließlich nach langwieriger Vorarbeit im Jahr 1926 kam. „Vor uns stand, den ganzen Schrein ausfüllend, der ungeheure Quarzitsarg, unberührt, als hätten fromme Hände ihn eben erst geschlossen.“ Ergriffen standen die Ausgräber vor der letzten Ruhestätte des jungen Pharaos Tutanchamun. „Welch unvergesslicher, herrlicher Anblick.“

Lesetipps zum Thema

Webtipps:

Literaturtipps:

  • Zahi Hawass: Tutanchamun – Das legendäre Grab des Pharao, München 2008.

  • Arnold C. Brackman: Sie fanden den goldenen Gott – Das Grab des Tutanchamun und seine Entdeckung, Bergisch Gladbach 1978.

  • C. W. Ceram: Götter, Gräber und Gelehrte – Roman der Archäologie, Reinbek 1949.