GEO-Epoche:

Piraten – Freibeuter, Abenteurer, Menschenhändler

Rezension von Mirko Gründer

Romantische Abenteuergeschichten und -filme erzählen von den freiheitsliebenden Helden der Meere. GEO-Epoche zeigt: Die Realität war oft weit weniger romantisch – und ist es heute um so weniger. Denn auch heute ist Piraterie ein verbreitetes Problem.

Das Thema scheint wie aus einer anderen Welt, als der Welt kitschiger Romane und Kostümfilme. Doch schon das Editorial wird deutlich, dass die Redaktion von GEO-Epoche die Geschichte der Piraterie als Hintergrund für ein „hochaktuelles Problem“ betrachten will. Dafür macht sie den Zeithorizont so weit auf, wie die Quellen es zulassen, und liefert ein Panorama der Piraterie vom Römischen Reich über Mittelalter und Kolonialzeit bis in unsere Tage. Ein Panorama, das interessante Schlussfolgerungen über die Rahmenbedingungen zulässt, unter denen Piraterie blüht und gedeiht.

Pompeius Magnus gegen Störtebeker & Co.

Im historischen Panorama der Piraterie dürfen die großen Namen und Geschichten natürlich nicht fehlen: Klaus Störtebeker und seine „Vitalienbrüder“ erhalten ebenso Raum wie Henry Morgans Raubzüge in der Karibik und Francis Drakes Kaperfahrt rund um die Welt.

Manche dieser Geschichten sind schnell und routiniert heruntererzählt, andere mit fast schon sensationshaschendem Elan neu angefasst – wie etwa die Legende um den Ostseepiraten Störtebeker. Johannes Schneider tut in seinem Artikel über die norddeutsche Ikone sein Bestes, um die gesamte Person als Mythos zu entlarven – mit guten Argumenten, auch wenn eine etwas ausgewogenere Darstellung der Sache sicher gut getan hätte.

Neben den „Big Names“ liefert GEO-Epoche zahlreiche Hintergrundartikel zu weniger bekannten Phasen, Personen und Ereignissen. Der monumentale Anti-Piraten-Feldzug des späteren Caesar-Gegenspielers Pompeius im Jahr 67 v. Chr. etwa zeigt eine Seite der römischen Expansion, die nicht jedem vertraut sein wird.

Gleiches gilt für den Exkurs zur größten Piratenstreitmacht aller Zeiten, einer chinesischen Flotte, die Anfang des 19. Jahrhunderts die Küsten Asiens unsicher machte, oder die Kaperfahrten von (nicht nur der deutschen) Marinesoldaten im Ersten Weltkrieg.

GEO-Epoche Nr. 62:
Piraten – Freibeuter, Abenteurer, Menschenhändler

Gruner+Jahr 2013
182 Seiten
9,50 € (16,50 € inkl. DVD)

GEO-Epoche Nr. 62: “Piraten - Freibeuter, Abenteurer, Menschenhändler”

(Bildnachweis: © Gruner+Jahr, mit freundlicher Genehmigung)

Die 11 Beiträge auf 182 Seiten kulminieren in einem umfang- und detailreichen Beitrag zum Überfall auf das deutsche Containerschiff „Hansa Stavanger“ im Jahr 2009 vor der Küste Somalias. Der Bericht arbeitet exemplarisch die moderne Piraterie auf, wie sie seit einigen Jahren an den Küsten Afrikas und Asiens neu aufblüht. Und er zeigt, in der Gesamtschau mit den Beispielen aus der Geschichte, dass neben dem „Wunsch nach schnellem Reichtum“ der Piraten selbst auch immer die Instabilität staatlicher Strukturen eine Grundbedingung der Piraterie ist.

Fazit:

Ein hervorragendes GEO-Epoche-Heft, dessen einziger Mangel ist, dass es zu kurz ist. Der weitgespannte Horizont über praktisch alle Epochen und Weltgegenden erzwingt eine episodische Struktur, die so unterhaltsam ist, dass man sich unwillkürlich mehr davon wünscht.

Inhalt:

  • Prolog: Der Schrecken der Meere
    Piraten gibt es, seit Händler die Ozeane befahren
  • 67 v. Chr.: Das Imperium schlägt zurück
    Im 1. Jahrhundert v. Chr. fordern Seeräuber den mächtigsten Staat der Antike heraus: Rom
  • 1400 Störtebeker: Der Mann, der Mythos
    Mehr als 1000 Vitalienbrüder terrorisieren Ost- und Nordsee. Einer von ihnen soll Störtebeker heißen
  • Um 1520: Schatztruhe Amerika
    Mit Amerikas Reichtum finanzieren die Spanier ihre Kriege. Also schickt Frankreich Raubfahrer aus
  • 16.-19. Jahrhundert: Angriff aus Nordafrika
    300 Jahre lang bedrohen muslimische Piraten aus den Berberstädten Nordafrikas das Mittelmee
  • 1577: Sir Francis Drake
    Englands Königin will die Großmacht Spanien herausfordern. Ein Freibeuter hilft ihr dabei
  • 1671: Raub unter Palmen
    Von Tortuga und Port Royal aus verheeren die Bukaniere im 17. Jahrhundert die Karibik
  • Um 1700: Die „Piratenrunde“
    Als in der Karibik nichts mehr zu holen ist, jagen Piraten aus Neuengland Schiffe östlich von Afrika
  • 1720: Der Herr der „Royal Fortune“
    Bartholomew Roberts wird in die Piraterie gezwungen – und zum erfolgreichsten Kapitän seiner Zeit
  • 1807: Triumph der sechs Flotten
    Rund 1800 Dschunken und 70.000 Piraten stehen um 1810 unter dem Befehl einer Frau: Zheng Yisao
  • 20. Jahrhundert: Deutsche Kaperfahrer
    In den Weltkriegen schicken Staaten Marinesoldaten auf Beutefahrt aus. Auch das Deutsche Reich
  • 2009: 121 Tage Angst
    Die „Hansa Stavanger“ ist unterwegs nach Kenia, als sie im April 2009 vor Somalia überfallen wird

» Mehr Infos auf der offiziellen Website von GEO-Epoche