Meinung

Deutschland macht zu

Grundrecht auf Asyl – aber nur, wenn keiner kommt? Bundesinnenminister Friedrich reagiert auf die zunehmenden Asylanträge aus Serbien und Mazedonien nicht mit der Frage, was dort eigentlich los sei, sondern fordert eine Verschärfung der Regeln. Er verkennt den Sinn des Asylrechts.

Maria, Josef und Jesus als frühe Asylbewerber

Maria, Josef und Jesus als frühe Asylbewerber

Das Grundrecht auf Asyl wurde 1949 im Grundgesetz verankert. Gut eine halbe Million Menschen waren vor dem Naziterror aus Deutschland geflohen und hatten Aufnahme überall auf der Welt gefunden. Aus dieser Erfahrung beschloss der Parlamentarische Rat, das neue Deutschland solle nun stets ein sicherer Hafen für politisch Verfolgte sein.

Das hehre Ziel sollte 40 Jahre Bestand haben. Die Asylanträge waren überschaubar, und nur rechte Hinterwäldler machten sich Sorgen wegen Überfremdung. Erst mit dem Zusammenbruch des Ostblocks stiegen die Zahlen, und diese Sorgen wurden mehrheitsfähig. 1992 fand sich eine breite Mehrheit aus CDU/CSU, FDP und SPD, um das Asylrecht erheblich zusammenzustreichen. Zwei neue Konzepte wurden eingeführt: Das des „sicheren Herkunftsstaats“, bei dem davon ausgegangen wird, dass seine Einwohner keiner politischen Verfolgung ausgesetzt sind, sowie das des „sicheren Drittstaates“. Besonders letzteres war geeignet, die Asylbewerberzahlen drastisch zu senken. Denn jeder Flüchtling, der aus einem solchen „sicheren Drittstaat“ nach Deutschland einreist, wird in diesen Drittstaat zurückgeschickt – und soll dort Asyl beantragen. Da sämtliche an Deutschland grenzende Länder als sichere Drittstaaten gelten, bedeutete diese Regelung faktisch, dass Asylbewerber nur noch per Flugzeug nach Deutschland kommen können.

Entsprechend stark reduzierte sich die Zahl der Asylanträge nach 1993 stetig. Waren 1992 noch fast 440.000 Anträge gestellt worden, kamen 2007 gerade mal 19.000 Asylbewerber nach Deutschland. Deutschland machte zu.

Wer ist verfolgt?

Für diejenigen, die das Asylrecht zwar als ethisches Feigenblatt achten, aber wenn möglich keine Asylsuchenden einlassen wollen, genügte das nicht. Die aktuelle Diskussion um den Anstieg von Asylanträgen serbischer und mazedonischer Roma zeigt dies deutlich. Für Innenminister Friedrich ein eindeutiger Fall von „Asylmissbrauch“, dem er gern mit harten Maßnahmen entgegensteuern würde. Am liebsten, indem Serbien und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt würden.

Die Kernfrage, nämlich ob die Roma Serbiens und Mazedoniens als politisch verfolgte Anspruch auf Asyl hätten, gerät zwischen dem Kampfbegriff vom „Asylmissbrauch“ und dem unterschwelligen Antiziganismus völlig aus dem Blick. Berichte der EU sprechen jedoch eine deutliche Sprache: Die überwiegende Mehrheit der rund 450.000 serbischen Roma leben von Gelegenheitjobs, weil ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt auf Grund von Diskriminierungen fast völlig verschlossen ist. In staatlichen Betrieben sind nahezu keine Roma angestellt. Sie leben meist unter sich in abgeschotteten Siedlungen unter schlechten hygienischen Verhältnissen und sind Anfeindungen ausgesetzt. Grund genug, eine systematische Diskriminierung im Herkunftsland anzunehmen, die dem Staat zuzurechnen ist?

Fast zynisch klingt es da, wenn Angela Merkel am 24. Oktober das Mahnmal für die von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma einweihte und dabei den bedeutungsschweren Satz sprach: „Es ist eine deutsche und eine europäische Aufgabe, sie dabei zu unterstützen, wo auch immer, innerhalb welcher Staatsgrenzen auch immer sie leben.“ Hauptsache, es sind nicht die deutschen Grenzen.

Lesetipps zum Thema

Webtipps: