1921: Putsch im Iran und der Aufstieg von Reza Schah

In der Nacht vom 20. Februar 1921 ergriffen Offiziere in Teheran die Macht. Der Putsch markierte den Anfang vom Ende der geopolitischen Ambitionen des britischen Empires in der Region. Und er rückte einen neuen starken Mann ins Zentrum: Reza Khan, der vier Jahre später als Reza Schah zum neuen Herrscher des Iran gekrönt wurde.

Am 25. April 1926 wurde Reza Khan zum neuen Schah gekrönt. Sein Aufstieg hatte vier Jahre zurvor mit einem unblutigen Putsch begonnen.

Am 25. April 1926 wurde Reza Khan zum neuen Schah gekrönt. Sein Aufstieg hatte vier Jahre zurvor mit einem unblutigen Putsch begonnen.

Am Ende des Ersten Weltkriegs lag der Iran am Boden. Zwar hatte das Land sich neutral verhalten, war jedoch schnell Opfer seiner Rolle als Pufferstaat zwischen den expandieren Großmächten Russland und Großbritannien geworden.

Die beiden Imperien hatten das Land bereits 1907 in Interessensphären unter sich aufgeteilt. Durch seine lange Westgrenze mit dem Osmanischen Reich wurde der Iran binnen kurzem zum Spielball und Schlachtfeld der kriegführenden Mächte. Nach vier Jahren Krieg stand der Iran wirtschaftlich und konstitutionell vor dem Zusammenbruch und dem Verlust der Souveränität.

Bei den Friedensverhandlungen von Versailles wurde die iranische Delegation auf britischen Druck hin nicht zugelassen. Das Empire erklärte herablassend, dass die Interessen des Landes von den britischen Diplomaten ausreichend vertreten seien.

Der Iran als Baustein der britischen Geopolitik

Dahinter stand eine ehrgeizige Agenda des einflussreichen außenpolitischen Strategen Lord Curzon: Großbritannien strebte die Absicherung seiner Besitzungen in Asien durch ein Netz aus Satellitenstaaten an. So sollte eine sichere Landroute vom Suezkanal bis nach Britisch-Indien garantiert werden. Die nach dem Weltkrieg etablierten britischen Mandatsgebiete von Palästina/Transjordanien und Mesopotamien (Irak) waren darin ebenso Bausteine wie ein vom Empire kontrollierter Iran.

Unter Curzons Ägide wurde am 9. August 1919 ein bilateraler Vertrag zwischen dem Empire und der iranischen Regierung um Premierminister Hassan Vosough geschlossen, der den britischen Einfluss durch Offiziere, Experten und Berater sowie durch umfangreiche Kredite gewährleisten sollte. Um die iranischen Entscheidungsträger günstig zu stimmen, wurden beachtliche Summen als Bestechungsgelder gezahlt. Dies stellte sich als fataler Fehler heraus.

Das Abkommen war von Anfang an unbeliebt bei der iranischen Bevölkerung, da es als Anbiederung an die Hegemonialmacht Großbritannien wahrgenommen wurde. Als die Bestechungsgelder an den Premierminister und führende Regierungsmitglieder bekannt wurden, waren nicht nur die Briten, sondern auch die herrschende Elite diskreditiert. Im Juni 1920 musste die Regierung abtreten. Das Abkommen wurde nie vom iranischen Parlament ratifiziert.

Die Krise verschärft sich: Hungersnot, Pandemie, Inflation, Unruhen

Der britische Einfluss war damit jedoch nicht weniger geworden. Der Iran war seit dem Weltkrieg praktisch unter Besatzung durch das Empire. Insbesondere dachten die Briten nicht daran, die Kontrolle über die Ölfelder im Süden abzugeben.

Aber neben nationaler Demütigung und Regierungskrise bestimmten ökonomische und soziale Probleme den Alltag: Trockenheit, schlechte Infrastruktur und Arbeitskräftemangel führten zum Ende des Krieges zu einer großen Hungersnot. Eine Cholera-Epidemie und die Spanische Grippe verschlimmerten die Lage weiter. Beide Faktoren zusammen forderten wohl mehr als eine Million Tote – fast ein Zehntel der Einwohner des ohnehin vom Krieg gebeutelten Landes.

Die Wirtschaft lag nicht nur kriegsbedingt am Boden. Ohnehin war der Iran wirtschaftlich weit zurückgeblieben. Eine Industrie existierte nur in bescheidenen Anfängen. Wenige hundert Kilometer ausgebauter Straßen machten überregionalen Austausch schwer, Eisenbahntrassen gab es überhaupt nicht. Die iranische Wirtschaft bestand überwiegend aus lokaler Landwirtschaft. Durch die Revolution war zudem Russland als wichtigster Handelspartner des Iran zumindest zeitweise völlig ausgeschaltet. Die weltweite Inflation verschärfte die Lage weiter.

Der Iran war Anfang des 20. Jahrhunderts ein wirtschaftlich unterentwickeltes, von traditionalistischen Eliten ausgebeutetes Land. (Foto vom Eingang zum Parlamentsgebäude in Teheran, 1907)

Der Iran war Anfang des 20. Jahrhunderts ein wirtschaftlich unterentwickeltes, von traditionalistischen Eliten ausgebeutetes Land. (Foto vom Eingang zum Parlamentsgebäude in Teheran, 1907)

Die Folge all dieser Faktoren waren soziale und ethnische Unruhen. Waffen waren nach dem Krieg allgegenwärtig. Rebellionen flammten in den Randgebieten des Reiches auf. Im Norden wurde 1920 mit sowjetischer Unterstützung eine sozialistische Räterepublik ausgerufen. Armut und Hunger waren allgegenwärtig.

Ein unblutiger Putsch bringt die Wende

Unter diesen Bedingungen mühten sich mehrere Regierungen vergeblich, die Probleme in den Griff zu bekommen. Ein fragiles Machtgleichgewicht zwischen der seit 1779 herrschenden Kadscharen-Elite, demokratischen Kräften, Geistlichkeit und der britischen Besatzungsmacht machte es fast unmöglich, Reformen im ausreichenden Maße durchzusetzen.

Es mehrten sich Stimmen, die einen Befreiungsschlag herbeisehnten. Sie konnten sich der Unterstützung des britischen Kommandeurs Edmund Ironside sicher sein. Der General, der den Abzug der britischen Truppen koordinierte, wollte den Iran gern in festen, den Briten verbundenen Händen zurücklassen.

So wurde der Putsch praktisch in der britischen Botschaft geplant. Der politische Aktivist Seyyed Zia, Mitglied im pro-britischen „Eisernen Komitee“, war der Drahtzieher in Teheran und hatte eine ehrgeizige Reformagenda. Durch britische Vermittlung schloss er einen Pakt mit General Reza Khan: Dieser sollte den militärischen Teil des Putsches übernehmen. Als Gegenleistung würde Reza Khan zum Oberkommandierenden der Kosakenbrigade befördert und aus dieser im Rahmen einer Militärreform eine schlagkräftige iranische Armee formen.

In der Nacht vom 20. zum 21. Februar 1921 war es soweit: Reza Khans Truppen besetzten die Schlüsselpositionen in Teheran. Lediglich vereinzelt fielen dabei Schüsse. Die Regierung und mehrere Hundert einflussreiche Personen aus der herrschenden Elite wurden verhaftet. Der Herrscher Ahmad Schah ergab sich schnell in sein Schicksal und ernannte Seyyed Zia zum neuen Premierminister. Reza Khan wurde Kommandeur der Kosakenbrigade.

Der Aufstieg des Reza Khan

Die politischen Pläne Seyyed Zias waren ehrgeizig – und zum Scheitern verurteilt. Zwar versuchte er, im Rahmen des Putsches die Kadscharen-Elite radikal zu entmachten. Über 200 Großgrundbesitzer wurden inhaftiert und mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Eine umfangreiche Landreform wurde angekündigt, auch Justiz- und Infrastrukturmaßnahmen standen weit oben auf der Agenda.

Doch die Beharrungskräfte waren weiterhin zu stark. Schon nach 100 Tagen musste Seyyed Zia dem Druck nachgeben und zurücktreten. Fast schien es, als bliebe der Putsch folgenlos. Die verhafteten Großgrundbesitzer wurden freigelassen, viele der ehrgeizigen Reformvorhaben kassiert.

Dass es anders kam und sich das Machtgleichgewicht im Land entscheidend verlagert, lag vor allem am Aufstieg von Reza Khan. Militärische Erfolge ebneten seinen Weg – die Ähnlichkeiten zum Aufstieg von Mustafa Kemal in der Türkei sind zum Teil verblüffend. Er beruhigte mit seiner Kosakenbrigade mehrere Unruheherde und konnte auch die kommunistischen Separatisten im Norden bezwingen. Das Land wurde wieder sicherer, und der Einfluss des Mannes, dem diese Erfolge zugeschrieben wurden, stieg.

Das Ende der Kadscharen

Der General war schon im April als Verteidigungsminister ins Kabinett von Seyyed Zia eingetreten und hatte mit einer umfangreichen Armeereform begonnen. Er brachte die verschiedenen, zum Teil nach antiquierten Mustern organisierten Truppenteile zusammen. Ausländische – auch britische – Offiziere wurden weitgehend durch Iraner ersetzt.

Reza Khan war die Konstante in den sechs Regierungen, die in den zweieinhalb Jahren nach dem Putsch in rascher Folge wechselten. Zwar stieg der Reformdruck, aber kein Premierminister konnte sich dauerhaft durchsetzen. Am 26. Oktober 1923 schließlich berief Ahmad Schah den erfolgreichen Verteidigungsminister zum Regierungschef. Es sollte das Ende der Kadscharen-Dynastie einläuten.

Reza Khan hatte in Mustafa Kemal ein Vorbild gefunden. Dieser hatte soeben in der Türkei die Republik ausgerufen und das Sultanat abgeschafft. Ein Vorbild für den Iran? Schnell wurde klar, dass dies im Parlament in Teheran keine Mehrheit finden würde. Vor allem die Geistlichkeit fürchtete säkularisierende Bestrebungen in einer Republik – eine Befürchtung, die realistisch war, wenn man das türkische Beispiel anschaut.

Dennoch war der Wunsch nach einem Befreiungsschlag weiter groß, und in Reza Khans Schreibtisch lag noch immer Seyyed Zias Reformprogramm und wartete auf den richtigen Moment. Die antiquierte Elitenherrschaft der Kadscharen war am Ende. Zu lange hatte sie notwendige Reformen blockiert. Am 31. Oktober 1925 beschloss das Parlament die Absetzung des Schahs. Reza Khan wurde zum neuen Herrscher erhoben und am 25. April 1926 als Reza Schah Pahlavi gekrönt. Der Iran stand am Beginn einer neuen Ära.

Lesetipps zum Thema

Webtipps:

Literaturtipps:

  • Monika Gronke: Geschichte Irans. Von der Islamisierung bis zur Gegenwart, München 2003.

  • Peyman Jafari: Der andere Iran. Geschichte und Kultur von 1900 bis zur Gegenwart, München 2010.

  • Abbas Amanat: Iran. A Modern History, New Haven/London 2017.