Guantanamo Bay – Geschichte und Gegenwart

Relikt des Kolonialismus, Vorposten im Kalten Krieg, berüchtigtes Gefangenenlager jenseits von Recht und Gesetz: Guantanamo Bay ist seit 110 Jahren ein Symbol für den amerikanischen Imperialismus.

Die US-Flotte in der Bucht von Guantanamu während eines Wintermanövers im Jahr 1927.

Die US-Flotte in der Bucht von Guantanamu während eines Wintermanövers im Jahr 1927.

(Bildnachweis: U.S. Navy National Museum of Naval Aviation, Photo No. 2003.001.323/Public Domain, via Wikimedia Commons)

Die Geschichte von Guantanamo Bay beginnt mit keinem Geringeren als Christoph Kolumbus. Als der Entdecker auf seiner zweiten Reise auf der Suche nach Gold die Karibik durchkreuzte, legte seine Flotte am 30. April 1494 auch in jener Bucht an der Südküste Kubas an. Er ging dort an Land, wo heute im „Camp Justice“ das Guantanamo Militärtribunal tagt, und nahm das Land für Spanien in Besitz.

Die Meeresbucht ragt 20 Kilometer weit ins kubanische Inland und bietet einen hervorragenden natürlichen Hafen. In der Zeit der spanischen Vorherrschaft in der Karibik war sie ein bevorzugter Schlupfwinkel für Piraten. Diese machten von hier aus die Handelsstraße zwischen Kuba und Haiti unsicher. 1741 besetzten die Engländer die Bucht und errichteten einen Brückenkopf, um das spanische Kuba zu erobern – ein Projekt, das sie jedoch noch im selben Jahr aufgaben.

Die USA erheben Anspruch

Die Vereinigten Staaten erinnerten sich wohl an diese britische Aktion, als sie 1898 im Spanisch-Amerikanischen Krieg daran gingen, die spanische Hegemonie in der Karibik zu brechen. Der Erwerb Kubas stand schon seit Thomas Jefferson auf der Agenda der US-Präsidenten. Die spanische Regierung hatte einen Verkauf der Insel jedoch stets abgelehnt – obwohl ihnen dort wie überall in Lateinamerika zusehends die Kontrolle entglitt.

Die amerikanische Öffentlichkeit unterstützte immer offener die kubanische Unabhängigkeitsbewegung und erzwang schließlich den Krieg. Im Juni 1898 landeten amerikanische Truppenverbände in der Nähe von Santiago de Cuba. Schon wenige Wochen später mussten die Spanier nach einer vernichtenden Niederlage ihrer Flotte kapitulieren. Amerikanische Truppen besetzten Kuba, das nun formell unabhängig wurde.

Es war eine Unabhängigkeit von Washingtons Gnaden. Erst 1902 wurde die kubanische Republik ausgerufen und die amerikanische Militärverwaltung aufgehoben. Inzwischen war das Land als Marionettenstaat etabliert. Die Verfassung der neu gegründeten Republik enthielt eine Formel, nach der die USA jederzeit militärisch auf Kuba intervenieren durften, sollten sie amerikanische Interessen oder Besitzstände in Gefahr sehen.

Die Bucht von Guantanamo war schon während der Flottenoperationen von den Amerikanern als sicherer Hafen und Nachschubbasis genutzt worden. 1903 sicherten sie sich das Gelände um die Zufahrt der Bucht in einem Pachtvertrag, der 1934 ohne Frist verlängert wurde. In den folgenden Jahren baute das US-Militär die Bucht zu seinem wichtigsten Flottenstützpunkt in der Karibik aus. Es unterhielt so auch nach dem Ende der Besatzung Kubas weiter eine militärische Präsenz auf der Insel.

Brückenkopf im Feindesland

Eine militärische Präsenz, an der mit aller Verbissenheit festgehalten wurde, als 1959 Fidel Castros Revolutionäre die USA-hörige Regierung stürzten und den Pachtvertrag von 1934 für ungültig erklärten. Plötzlich war der Grenzzaun der 117,6 Quadratkilometer großen Flottenbasis zur Frontlinie im Kalten Krieg geworden. Kuba kappte den Amerikanern Strom und Wasser, und praktisch jeder Kontakt mit dem Inland wurde eingestellt. Die Basis musste von nun an von See versorgt werden.

Fidel Castro nannte die Guantanamo Bay Naval Base einmal einen „Dolch, der in die kubanische Erde gestoßen ist“. Bis heute ist die Basis vom zweitgrößten Minenfeld der Welt und einem mehrere Kilometer breiten Kaktusstreifen umgeben. Über 9.000 US-Soldaten sind dort stationiert – und echte Entspannung ist nicht in Sicht.

Die USA haben sich bis heute nicht von der Idee verabschiedet, dass Kuba ihnen gehören sollte. Havanna seinerseits hält die amerikanische Präsenz in der Bucht für illegal. Aus kubanischer Sicht ist der Pachtvertrag durch militärischen Druck erzwungen worden und daher nichtig. Zudem ist im Vertrag ausschließlich militärische Nutzung des Geländes erlaubt. Dies wurde spätestens mit der Einrichtung des Terror-Gefängnisses Anfang 2002 deutlich überschritten.

Schandfleck der amerikanischen Geschichte

Das umstrittene Gefangenenlager brachte Guantanamo Bay in den letzten Jahren immer wieder in die Schlagzeilen. Hier wurden ab 2002 Terror-Verdächtige aus aller Welt im von Präsident George W. Bush deklarierten „Krieg gegen den Terror“ inhaftiert. Die zeitweise bis zu 1.000 Häftlinge wurden hier ohne Rücksicht auf Kriegs- und Völkerrecht ohne Anklage unbefristet festgesetzt und zum Teil gefoltert. Erst 2007 begann der erste Prozess gegen einen der Häftlinge.

Das Gefangenenlager von Guantanamo Bay gilt als Ort jenseits von Recht und Gesetz und ist seit seiner Einrichtung 2002 internationaler Kritik ausgesetzt.

Das Gefangenenlager von Guantanamo Bay gilt als Ort jenseits von Recht und Gesetz und ist seit seiner Einrichtung 2002 internationaler Kritik ausgesetzt.

(Bildnachweis: Shane T. McCoy/Public Domain, via Wikimedia Commons)

Bushs Nachfolger Barack Obama verfügte im Januar 2009 die Schließung des Gefangenenlagers. Praktische Probleme verhindern jedoch bis heute die Umsetzung dieser Order. Als besonders schwierig hat es sich herausgestellt, Aufnahmestaaten für die über 150 verbliebenen Gefangenen zu finden. Innenpolitisch und international bleibt das Gefangenenlager ein heftiger Streitpunkt. Und es hat zugleich das Potential, zu einem der größten Schandflecke in der amerikanischen Geschichte zu werden. Oder, wie Richard Goldstone, einst Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien, im Jahr 2003 sagte: „Ich glaube, dass ein künftiger amerikanischer Präsident sich für Guantanamo wird entschuldigen müssen.“

Lesetipps zum Thema

Webtipps:

Literaturtipps:

  • Stefan Rinke: Lateinamerika und die USA: Von der Kolonialzeit bis heute, Darmstadt 2012.

  • Michael Zeuske: Kleine Geschichte Kubas, 3. Auflage, München 2007.